WIRK ZEUG „Männersprache und Frauensprache“

WIRK ZEUG „Männersprache und Frauensprache“
03 Jun 2020

Bodo Ramelow ist Ministerpräsident von Thüringen, Petra Köpping Gesundheitsministerin in Sachsen. Beide wollen dasselbe: eine Veränderung beim Umgang mit den Corona- Einschränkungen, weg von allgemeinen Verboten, hin zu mehr Differenzierung.

Warum ich Ihnen das erzähle? Ich bin Professional Coach für wirkungsvolle Kommunikation.

Bei Ramelow und Köpping finde ich interessant, wie unterschiedlich sie – bei ganz ähnlichen Absichten – ihre Botschaften unter die Leute gebracht haben. Nämlich typisch männlich und typisch weiblich. Wie kommt’s? Viele Studien legen nahe:

Männer wollen sachlich, präzise und effizient informieren. Und sie wollen dabei ihre hierarchische Position verteidigen oder festigen. Es geht also immer auch um Rang und darum, die eigene Ansicht unmissverständlich klar zu machen.

Schauen Sie mal wie Bodo Ramelow das macht. Er wurde und wird ja von vielen für seine geplanten Lockerungen kritisiert.

Bodo Ramelow, MP Thüringen in ARD-Extra vom 25.05.2020

Und es ist völlig klar, dass wir die Abstandsregeln für unseren Umgang miteinander weiter in den Mittelpunkt stellen. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir von Verboten in Gebote übergehen müssen, damit die Menschen selber spüren, sie müssen sich auch selber schützen wollen. Wenn wir das alles nur mit Polizei durchsetzen wollen oder mit Ordnungsämtern, dann ist irgendwann die Akzeptanz völlig futsch. UND deswegen sage ich ganz deutlich, wir wollen umsteuern aus dem Krisenmodus in den Regelmodus. Und wir wollen die Gesundheitsämter stärken und nicht immer mehr Polizei dazwischen schalten.

Position stärken, Rang behaupten – ich denke, das sieht man hier deutlich. Und er macht noch zwei weitere, interessante Dinge:

  1. Ramelow argumentiert deduktiv – das heißt er stellt schnell seinen zentralen Satz nach vorne: Von Verboten zu Geboten. Erst danach wird er konkret und bringt Belege dafür: weniger Polizei.
  2. Seine Tonalität: sehr bestimmt, fast dominierend, abgrenzend. Linguisten und andere Sprachexperten sagen: Das ist beides typisch für maskulines Kommunikationsverhalten

Und weibliches Kommunikationsverhalten? Beispiel Petra Köpping. Sie macht es genau umgekehrt. Auch sie wurde nach den offenbar sehr weitreichenden Lockerungen gefragt. Und beginnt so:

Petra Köpping, Gesundheitsministerin Sachsen in Sachsenspiegel, MDR vom 25.05.2020

Ich nehme mal die Alten – und Pflegeheime. Dort haben wir gesagt: Besuche sind verboten, nur mit bestimmten Ausnahmen sind sie möglich. Und dort möchten wir in eine Ermöglichungshaltung gehen, wo aber bestimmte Auflagen einzuhalten sind. Das ist der Paradigmenwechsel, dass wir sagen, wir öffnen die Pflegeheime, aber mit bestimmten Auflagen können die Besuche stattfinden.

Köpping bringt das konkrete Beispiel am Anfang und kommt dann zu ihren zwei zentralen Begriffen – die Ermöglichungshaltung und dem Paradigmenwechsel. Das ist die Botschaft, das ist die zentrale Aussage.

Aber ganz anders hergeleitet, nämlich induktiv – vom Besonderen zum allgemeinen – und das ist, so sagen die Forscher, typisch weiblich.

Übrigens nervt das Männer in Meetings oft, wenn ihre Kolleginnen Beispiele oder eigene Lebenserfahrung anführen. „Komm auf den Punkt“ heißt es dann.

Genau das tun Frauen auch – aber ihr Punkt ist ein anderer:

Frauen wollen in Gesprächen andere zum Mitdenken einladen, Fakten überprüfen und vor allem – Beziehungen aufbauen.

Schauen Sie sich mal Köppings Tonalität im Unterschied zu Ramelow an:

Es werden drei Bereiche bleiben. Das will ich ganz deutlich sagen. Das sind also die Kontaktbeschränkungen, wo man zwar mit den Zahlen überlegt, ob man Erleichterungen schafft, aber sie werden bestehen bleiben. Das ist auch die Mund – Nasenbedeckung und das ist auch die Abstandsregelung.// Also, wer jetzt glaubt, dass wir alles ad acta legen, den muss ich enttäuschen.

Botschaft auf Augenhöhe, Enttäuschendes wird mit einem Lächeln kommuniziert. Alles Signale, die sagen: Auch wenn wir nicht einer Meinung sein sollten – du bist trotzdem in Ordnung, mir ist unsere Beziehung wichtig.

Es gibt übrigens einen Experten auf dem Gebiet, der das ganze Thema nach jahrelanger Forschung für sich so auf den Punkt bringt.

Jürgen von der Lippe:  „Kommunikation zwischen Mann und Frau“ aus dem Bühnenprogramm: „Alles was ich liebe“; Liveaufzeichnung aus dem Hamburger St. Pauli-Theater vom 22.03. + 23.03.2007

Jetzt kommt mein Lieblingsthema, über das ich seit fast 35 Jahren ununterbrochen spreche – die Unterschiede zwischen Mann und Frau (…) Frauen kommunizieren wie Sie wissen ja bekanntlich um Nähe herzustellen, soziale Bindung, oder um sie aufrecht zu erhalten. Männer – als Jäger und Beuter  – sprechen traditionell nur das Nötigste. Um das Wild nicht zu verscheuchen. Eine typisch männlich Kommunikation wäre zum Beispiel: „Skalpell – Tupfer – Säge- Klemme – Klemme – Klemme – Klemme – Zunähen.“

Das klingt natürlich bei einer Chirurgin anders. Eine Chirurgin würde sagen: „Ach Schwester Marita sind Sie mal so lieb, darf ich mal die Säge… ..Danke.“ Sagen Sie mal, ist Ihre Jüngste jetzt eigentlich schon eingeschult?“

Ist so. Also, ich glaube, dass es so ist. Man kriegt es als Patient  ja nicht mit. Wenn man Glück hat. Aber ich denke, es ist so.“

Was würden Sie sagen? Ich finde Jürgen von der Lippe kommuniziert typisch männlich – sachlich, präzise und mit einer – trotz der gebotenen wissenschaftlichen Skepsis – sehr eigenen Einschätzung.

Aber was haben Sie jetzt von dem Ganzen? Viel. Wenn Ihnen zum Beispiel als Führungskraft die Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Kommunikation bewusst sind, können Sie sich darauf einstellen. Und damit werden Sie souverän. Souveränität bedeutet Wahlmöglichkeiten zu haben. Wenn Sie Ihre Sprache bewusst variieren und anpassen können, je nachdem ob Ihr Gegenüber Mann oder Frau ist – dann werden Ihre Gespräche noch erfolgreicher verlaufen. Viel Spaß!

 

Weiterführende Literatur:

Christina Holtz-Bacha, Nina König-Reiling, Hrsg: „Warum nicht gleich? Wie die Medien mit Frauen in der Politik umgehen“; VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 2007 https://bit.ly/2XHviiV

Kishor Sridhar: „Frauen reden, Männer machen?“

Wie wir aus der Klischeefalle ausbrechen und besser zusammenarbeiten; Gabal 2017, Offenbach https://bit.ly/2M7zL9d

Deborah Tannen: „Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden“; Goldmann Verlag 1991

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