WIRK ZEUG „Gespräche steuern – Vielredner unterbrechen“

WIRK ZEUG „Gespräche steuern – Vielredner unterbrechen“
07 Jul 2020

Heute geht es bei Kommunikation und Wirkung um das Thema:

Unterbrechen in Gesprächen.

Mich beschäftigt nämlich immer wieder der Satz, der heißt:

„Wer fragt, der führt.“

Zugeschrieben wird er Sokrates. Der Philosoph in der Antike. Er befragte Menschen so, dass sie ihre eigenen, unbewussten Einstellungen erkennen konnten. Und sie auf ihr implizites Wissen zugreifen konnten. Wer das als Führungskraft bei seinen Mitarbeitern schafft, hat schon viel gewonnen.

Aber reicht das?

Als Executive Coach arbeite ich mit meinen Kunden häufig am Thema: wie steuert man Gespräche und Sitzungen?

Zum Beispiel in einem Meeting von selbstbewussten Managern und Managerinnen, von denen jeder seinen Bereiches vertritt? Da kommt es  zu

Monologen,

Ablenkungsmanövern vom eigentlichen Thema,

phantasievollen Selbstdarstellungschleifen und so weiter.

 

Kann man hier Fragen steuern? Nein. Genau so wenig wie mit  Appellen, doch bitte sachlich und beim Thema zu bleiben.

Wie also dann?

Hier kommt gleich einen Ausschnitt aus einer Talksendung von Frank Plasberg. Thema: der große Coronausbruch in der Fleischfabrik von Tönnies, der Lock-Down im Kreis Gütersloh.

Schauen Sie, wie oft Plasberg Gesundheits-Minister Laumann unterbricht. Und überprüfen Sie, was er damit erreicht.

Zu dem Zeitpunkt, wo wir in die Szene einsteigen, hatte Laumann schon eine ganze Weile gesprochen und die ergriffenen Maßnahmen ausführlich geschildert.

Laumann: „Und ich bin schon der Meinung, dass wir in den nächsten Tagen ein Sicherheitspaket machen müssen, das heißt weiter in die Wohnungen, nach der Quarantäne sehen, dass die..

Erste Unterbrechung FP: Was schwierig wird, denn sie sprechen die Sprache nicht..

Laumann lässt sich nicht unterbrechen, spricht weiter: Wir haben drei Hundertschaften der Polizei, die sich sehr stark um diese Frage kümmern..

Zweite Unterbrechung FP: wie viele Übersetzer haben Sie?

Laumann lässt sich immer noch nicht unterbrechen, spricht weiter: weil das ja sehr dezentral untergebracht ist

Dritte Unterbrechung FP: Herr Laumann, entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche…

Laumann spricht auch jetzt noch weiter: also wir machen eine ganze Menge, um die Situation beherrschbar zu machen

Vierte Unterbrechung FP, erfolgreich: Ja, wir können gleich weiter reden. Herr Laumann, eine Frage nur: also Polizei ist das eine, Absperrung das andere. Es sind aber Menschen dabei, die teilweise die Sprache nicht verstehen und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Wie kann man ihnen klar machen, dass es zu ihrem Nutzen ist in den Wohnungen auch zu bleiben. Ende der Woche haben wir Temperaturen von über dreißig Grad, das wird ein schwieriges Unterfangen. Wie viele Übersetzer haben Sie?

Laumann antwortet: Also wir haben 100 Übersetzer bestellt, dass jedes Team einen eigenen Übersetzer hat, dass das auch in die unterschiedlichen Landessprachen übersetzt wird. Es ist mir völlig klar, dass wir den Menschen in ihrer Landessprache…… „

Ganz schön unhöflich könnte man sagen. Unterbricht den Minister, einen ranghohen Politiker insgesamt vier Mal. Was hat Plasberg davon?

Nach meiner Ansicht drei Dinge:

  1. Er stoppt einen Vielredner und verhindert einen langen Monolog – das hilft der Aufmerksamkeit der Zuhörer.
  2. Er gleicht die Redeanteile aus – zum Zeitpunkt der ersten Unterbrechung hatte Laumann etwas mehr als zwei Minuten gesprochen. Eine gefühlt lange Strecke – nicht nur für eine Talkshow.
  3. Er bekommt die Gesprächssteuerung zurück – nach dem vierten Unterbrechungsversuch beantwortet Laumann die mehrfach gestellte Frage.

Und jetzt schlage ich Ihnen allen Ernstes vor, sich als Führungskraft an Plasberg zu orientieren? Den Polarisierer unter den Moderatoren? Ja – denn ich bin davon überzeugt: Nur wer auch unterbricht, kann mit Fragen führen.

Hand aufs Herz!

In wie vielen Meetings haben Sie gesessen, in denen sie bei bestimmten Kollegen oder Kolleginnen dachten? Okay, jetzt kann ich mich schlafen legen. Wenn der oder die anfängt, dauert es ewig.

Wer also Monologisierer nicht unterbricht, nimmt die Energie aus dem Meeting.

Und wer Schwafler, die um das Thema herumreden, nicht unterbricht, missachtet die Zeit der anderen.

Natürlich können Sie höflicher unterbrechen, als die meisten Journalisten das tun. Nicht nur eine Frage dazwischenschießen, sondern gleich eine Entschuldigung setzen. Oder höflich eine zusätzliche Information ankündigen. Bei den meisten Menschen wirkt auch das. Den meisten, wie gesagt. Laumann gelingt es ja, die ersten beiden Unterbrechungen Plasbergs ungerührt abzuschütteln.

Aber Vorsicht: Unterbrechungen müssen dosiert werden. Nicht zu viele, zu häufig bei derselben Person. Sonst gibt es böses Blut und die Stimmung eskaliert. Das ist natürlich nicht ihr Ziel.

Bei selbstsicheren Menschen, die ihrer Sache gewiss sind, kann es allerdings zum Spiel werden: Schauen wir mal, wie lange ich es schaffe, ohne dass du mich unterbrichst.

Frank Plasberg: „Und Schlussrunde in dieser letzten Sendung vor der Sommerpause… Geplänkel.. fangen wir mit Herrn Laumann an: Stellen Sie sich vor, Sie haben in diesem Sommer doch noch Lust auf ein Grillfest. Wen aus dieser Runde hätten Sie gerne dabei und was kommt auf den Rost?

Laumann: Also ich würde den Karl Lauterbach einladen. Dass er mal ein gutes Stück westfälisches Fleisch isst. Wir haben in Westfalen auch gute Tiere, wir haben eine sehr gute Landwirtschaft, wir haben Menschen, die das sehr verantwortungsbewusst machen..

Unterbrechung FP: Okay, danke für diese kurze Antwort Herr Laumann…“

Probieren Sie es aus.

Unterbrechen Sie Monologisierer und Abweichler vom Thema in der Ihnen gemäßen, höflichen Art. Die anderen im Meeting werden es Ihnen danken. Viel Spaß!

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