Vor dem Tor die „Meute“ – Führungskräfte und Journalisten

15 Jun 2015
Wie gebe ich ein Interview? Muss das überhaupt sein? Was geht die Medien eigentlich an, wie wir unsere Strategie umsetzen und welches Personal wir einstellen?
Viele Führungskräfte im mittleren Management haben keine direkte Berührung mit den Medien und auch kein Interesse daran. Journalisten sind für sie eher unangenehm und lästig. Sie sehen in ihnen Menschen, die keine Verantwortung tragen, dafür aber umso lauter alles besser wissen.
Diese Haltung rächt sich, wenn das Unternehmen Fehler macht, in eine Krise gerät. Dann muß beim Mittelstand der Geschäftsführer oder Eigentümer in die Bütt, beim Konzern der CEO. Beim Konzern sind die Top Leute meist schon für diesen Fall geschult und schlagen sich mehr oder weniger wacker. Im Mittelstand aber bricht häufig Panik aus, wenn Journalisten vor der Tür stehen und Kameras dreist über geschlossene Toreinfahrten und durch Zäune lugen. Wie besteht man vor dieser Meute und was sagt man wie? Angst und Unsicherheit verzögern die Reaktionen und dann heißt es: „Das Unternehmen duckt sich weg.“
Wenn aber doch Führungskräfte aus der mittleren Ebene zu mir ins Mediencoaching kommen, mache ich immer wieder dieselbe Erfahrung. Erst muss eine gehörige Portion Unsicherheit im Umgang mit der Kamera abgebaut werden und es ist wichtig, die Gesetze von TV-Interviews gut zu erklären. Das Tempo, die notwendige Kürze der Antworten, die einfache und anschauliche Sprache, die es braucht, um ein großes Publikum anzusprechen. Dann aber macht es den meisten Führungskräften richtig Spaß, sich mit ihrem Sparringspartner zu messen. Die Journalisten drängen auf Antworten, offene, enthüllende Antworten. Die Befragten widerstehen diesem Druck, schützen sich, geben nur Ausgewähltes preis. Es ist ein Ringen gegensätzlicher Interessen, ein Wettkampf – und das gefällt vielen Führungskräften. Es ist ihnen vertraut aus Verhandlungen, es kitzelt ihren Ehrgeiz, es fordert ihr Ausdrucksvermögen und die Konzentration auf das Wesentliche.
Natürlich ist es dann in der Krise, im Angesicht der Medienmeute, kein Spaß mehr, unangenehme Fragen zu beantworten. Aber man weiß wenigstens, wie es geht und macht sich nicht vollends unglaubwürdig durch Wegducken oder peinliches Gestammel.