Lampenfieber und Selbstwert – Wie eine gute Beziehung zu uns selbst uns bei unseren Auftritten hilft

Lampenfieber und Selbstwert – Wie eine gute Beziehung zu uns selbst uns bei unseren Auftritten hilft
08 Okt 2015

Einer meiner Coaching-Klienten ist ein selbstbewusster Manager, der seinen Bereich mit knapp hundert Mitarbeitern die letzten Jahre stetig in Richtung Erfolg führte. Besseres Arbeitsklima, weniger Krankenstand, bessere Zahlen. Er kann’s.

Was er nicht kann: gleichbleibend selbstbewusst vor der Geschäftsleitung präsentieren. Oder stabil überzeugend in wichtigen Entscheidungsgremien auftreten.

Mal kann er’s, mal kann er’s nicht.

Sein Auftreten schwankt mit der Tagesform. Einmal macht es ihm überhaupt nichts aus, dass die Geschäftsleitung seine sorgfältig erarbeitete Vorlage mit ein paar Worten zu Altpapier machen könnte. Das nächste Mal hat er enormes Lampenfieber und befürchtet, dass er keinen geraden Satz zustande bringen wird. So schlimm wird es dann nicht, aber trotzdem fühlt er sich „klein mit Hut“. Er hat schon überprüft, ob es damit zusammenhängt, wieviel er schläft. Oder ob er ein oder auch mal zwei Glas Wein am Abend vorher getrunken hat. Nein, das ist es nicht – er war schon mit nur drei Stunden Schlaf brillant und grauenvoll nach acht Stunden.

Könnte es sein, dass er an den „schlechten“ Tagen einfach zu gut sein will? Dass es ihm nicht genügt, inhaltlich stark zu sein, überzeugend und gewinnend in Ansprache und Auftritt. Sondern, dass er mehr will – dass er alles Licht der Aufmerksamkeit auf sich versammeln und halten will, dass er wünscht, der Scheinwerferkegel möge ihn immer begleiten?

Könnte es sein, dass an diesen Tagen sein Selbstwertgefühl im Minus ist und er es mit aller Macht durch Aufmerksamkeit von außen aufbessern will? An diesen Fragen habe ich mit dem Manager gearbeitet.

Wenn wir uns bei Auftritten zu sehr von den Zuhörern abhängig machen, richten wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit völlig auf sie und schwächen die Beziehung zu uns selbst. Das führt dazu, dass wir uns „klein“ fühlen – im wahrsten Sinn des Wortes schrumpfen wir innerlich auf einen viel jüngeren Zustand. Eine Altersstufe, auf der wir ganz einfach nicht so überzeugend sein konnten – oder haben Sie schon mal einen Sechsjährigen gesehen, der eine Riege von „Alphatieren“ in der Geschäftsleitung überzeugt?

Oft wird das Selbstwertgefühl mit einem Topf verglichen, der an manchen Tagen prall gefüllt, an anderen aber gerade mal halbvoll ist. Es ist dann gut zu wissen, was man tun kann, damit der Topf wieder voll wird. Was man in Eigenregie dafür tun kann – unabhängig von der Aufmerksamkeit, die andere uns und unseren Auftritten geben.

Für meinen Coaching-Klienten hieß das zum Beispiel, an Tagen mit schwächerem Selbstwert eben nicht die 150 Prozent Strahlkraft von sich zu verlangen, sondern 100 Prozent oder 90 bis 80 Prozent zu „veranschlagen“ und sich das nicht übel zu nehmen. Insgesamt war es für ihn wichtig zu überprüfen, wie er mit eigenen Fehlern und Schwächen umging. Oder mit Anerkennung und Wertschätzung: Wie lange hielt Lob bei ihm eigentlich vor? Und wofür gab er sich selbst Anerkennung? Nur für Spitzenleistungen, für die er von anderen Applaus bekam oder hatte er auch eine eigene Messlatte?

Die Beschäftigung mit diesen Themen sowie bestärkende Sätze, die wir im Coaching erarbeiteten, halfen ihm. Seine Beziehung zu sich selbst wurde freundlicher und er hatte weniger Tage, an denen der Topf nur halb voll war.

Je besser der Selbstwert, je gefüllter der Topf, desto besser sind Auftritt und Wirkung. Und das Lampenfieber ist dann genau so groß, dass wir in guter Spannung sind und ausgewogen fokussiert auf uns, das Thema und die Zuhörer.

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