Hauptsache Aufmerksamkeit

Hauptsache Aufmerksamkeit
24 Apr 2015

Was wollen Führungskräfte? Dass ihre Mitarbeiter gute Leistung bringen, kooperativ sind und gesund bleiben. Was wollen Mitarbeiter? Dasselbe. Und darüber hinaus Interesse für das, was sie tun.
Eine frühere Kollegin im TV, erzählte mir vor kurzem, dass sie eine lange Sendestrecke vor Ort mit schwierigen Gesprächspartnern moderiert hatte.

Zurück in der Redaktion traf sie im Flur auf ihren Vorgesetzten. Im Vorbeigehen sagte er: „Ich habe nichts gesehen. Aber wenn es nicht gut gewesen wäre, hätte ich schon was gehört.“ Sie war enttäuscht. Weil sie ehrgeizig ist und Moderation ein Beruf ist, der immer im Schaufenster stattfindet, bereitete sie die nächsten langen Strecken genau so sorgfältig vor und moderierte so interessiert und engagiert, wie es ihren Maßstäben entsprach.
Aber, so sagte sie: „ Ich hab es gemacht, weil ich eitel und ehrgeizig bin. Aber Lust hatte ich keine dazu. Es ist einfach blöd, wenn im Haus keinen interessiert, was man macht. Außer man macht was falsch.“
 
Seit den 1920 er Jahren ist bekannt, dass Aufmerksamkeit von Vorgesetzten die Leistung von Mitarbeitern erhöht. Damals untersuchten Wissenschaftler der Havard Business School in den Hawthorne Werken der Western – Elektronic Werke, was man verändern sollte, damit die Arbeiter ihre Leistung verbessern. Die Beleuchtung wurde anders eingestellt, die Arbeitszeiten verändert, mehr Pausen – egal, was man machte, die Produktivität in der untersuchten Gruppe und der Kontrollgruppe stieg. Der Grund: die Arbeiter bekamen Aufmerksamkeit. Ihre Arbeit, dem was sie tagtäglich taten, wurde Bedeutung gegeben, man interessierte sich für sie.
 
Die meisten Führungskräfte, mit denen ich zu tun habe, wissen, dass Feedback für ihre Mitarbeiter essentiell ist. Aufmerksamkeit, Interesse und Kritik, alles ist besser als Gleichgültigkeit und Bedeutungslosigkeit. Viele Untersuchungen der Neurophysiologie zeigen, dass damit das Motivationszentrum im menschlichen Gehirn in Gang gesetzt und Lust an Leistung und Kooperation ausgelöst wird.
Warum gibt es dann trotzdem in vielen Unternehmen nach wie vor „Feedbackwüsten?“
 
Es geht ja auch ohne, auch wenn es weniger Spaß macht und Menschen durch mangelndes Interesse krank werden. Organisationskulturen verändern sich langsam und was über Jahrzehnte funktioniert hat, wird ja wohl noch weitergehen. Das ist ein Grund.
 
Ein weiterer Grund: viele Unternehmen geben ihren Führungskräften zwar in ihren Leitbildern und Führungsempfehlungen Zeit, sich mit den Mitarbeitern zu befassen. In der Realität fehlt die aber.
Und dann liegt es natürlich auch an der Persönlichkeit der Führungskraft, wohin sie ihren Blick richtet – auf ihre eigene Arbeit und nach oben zur nächsten und übernächsten Hierarchiestufe, oder auch nach unten zu ihren Leuten.

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