Auszeit, Aus-Zeit und Zeit wie Geld und Wasser

Auszeit, Aus-Zeit und Zeit wie Geld und Wasser
25 Okt 2016

Aus-Zeit! Das Wort gefällt mir gut, wenn es wie hier, getrennt geschrieben ist. Als „Auszeit“ bekomme ich die unangenehme Assoziation von erzwungenem, unproduktivem Stillstand.


Ich habe wegen einer Augenerkrankung einige Monate nicht gearbeitet. Jetzt steige ich wieder ein, es geht mir gut und ich freue mich auf die Arbeit mit meinen Kunden.
Ich komme zurück aus einer Zeit, in der ich am Spielfeldrand stand, im „Aus“. Ich konnte das Geschehen dort aus Distanz beobachten. Ich war nicht aktiv beteiligt und konnte die Zeit „auf der Bank“ gut nutzen: innerlich sortieren und meinen Maßstab für „wichtig“ und „unwichtig“ überprüfen. Ich hatte Zeit für Dinge, die sonst, wenn ich selbst auf dem Spielfeld agiere, kaum Platz haben in meinem Alltag. Ein ausführliches Schwätzchen mit der Nachbarin, genussvolles Einkaufen auf dem Markt, Hörbücher hören und alte Filme wiedersehen. Soviel zum „Aus“ – alles andere als unproduktiv.
Und die „Zeit“?
Mich hat mal jemand aufgefordert, mir vorzustellen, die Zeit wäre wirklich Geld. Wäre ich dann reich oder arm?
Ich habe mich das in meiner „Aus–Zeit“ auch gefragt und die Antwort war: Ja, ich fühlte mich reich, weil ich – nicht zum ersten Mal – eine terminlose Zeit genießen konnte. Und sie mit Dingen füllte, die mich freuen, zum Beispiel auch meinem Hobby, dem Schreiben von Gedichten und Geschichten.
Heißt das nun, im Umkehrschluss, ich bin arm, wenn ich arbeite?
Nein – das Geld steht nur in anderer Währung zur Verfügung. Ich bin auch da reich an Zeit und ich verbringe sie mit Dingen, die mich ebenfalls erfreuen. Ich arbeite gerne. Der Unterschied: ich muß meine Zeit anders und in Abstimmung mit anderen einteilen. Dennoch: der Strom der Zeit fließ auch da auf mich zu und steht mir zur Verfügung. Denn dies ist das andere Bild, das ich nutze, um meine Einstellung zur Zeit zu überprüfen: Ich stehe auf einer Brücke und ich vergleiche das Wasser, das unter mir fließt mit der Zeit.
Blicke ich flussabwärts, läuft mir die Zeit eilig davon, sie entschwindet und ich kann ihr Ziel nicht erkennen.
Blicke ich flussaufwärts, fließt die Zeit auf mich zu und ich sehe: auch wenn sie durch Uferbegrenzungen und Steine in ihrem Lauf reguliert wird – sie kommt mir entgegen und ich bin ihr Ziel. Ich habe Zeit.

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