Warum Führungskräfte Tolstoi lesen sollten

Warum Führungskräfte Tolstoi lesen sollten
08 Nov 2017

Manchen Führungskräften fehlt schlicht die Phantasie, die es braucht, um sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Sie werden seltener – aber es gibt sie nach wie vor, sowohl bei den alten Hasen um die 50, wie bei Jüngeren.


Dabei ist Empathie ist eines der Buzzwords im Zusammenhang mit Führung – egal, ob es darum geht, die Mitarbeiter bei einem „Change“ mitzunehmen oder darum, Konflikte konstruktiv zu lösen oder hehre Unternehmensleitsätze umzusetzen.
Führungskräfte, denen es nach der Definition von David Coleman*, an „dem Geschick fehlt, andere Menschen mit Rücksicht auf deren Gefühle zu behandeln“, haben diverse Probleme – und eines fällt sofort ins Auge.
Sie sind schlechte Redner. Sie tragen ihre Botschaften vor, als seien die Zuhörer Roboter und nicht Menschen, die Zusammenhänge verstehen wollen, Orientierung und Sinnstiftung brauchen.

Sie sind fasziniert von Analysen, Zahlen, Daten, Fakten und übersehen dabei, dass Botschaften nur wirken, wenn auch Interessen und Gefühle angesprochen werden.

„Die Perspektive des anderen einnehmen“ – das ist eine der Kernkompetenzen einer wirkungsvollen Führungskraft.
Diese Kompetenz lässt sich erlernen. Für die Führungskraft als Redner heißt das, dass sie erst einmal Recherchefragen stellen und sich beantworten muss.

Hier eine Mini-Checkliste:

  • Welches Interesse haben meine Zuhörer – meine Kollegen im Management Team, meine Mitarbeiter – an dem Thema? Was geht es sie an? Wie sind sie davon betroffen?
  • Wieviel Vorwissen haben die Zuhörer zum Thema?
  • Welche Einstellung/ Haltung haben die Zuhörer zum Thema?
  • Was wissen Sie über den Redner (im Zusammenhang mit dem Thema?)
  • Welchen Nutzen haben sie von dem Thema?
  • Usw.

Manchmal sagen meine Kunden, wenn ich sie bitte, diese Fragen zu beantworten: „Das weiß ich nicht, darüber kann ich nur spekulieren.“ Dann fordere ich sie auf, genau das zu tun.
Anders ausgedrückt: es geht darum zu überprüfen, welche bewussten und weniger offensichtlichen Annahmen über Kollegen oder Mitarbeiter man hat. Und dann, in einem zweiten Schritt seine Wahrnehmung zu schärfen. Worauf gründen sich meine Annahmen? Was habe ich beobachtet? So kommt man sich selbst auf die Schliche, welche Bilder man von seinen Zuhörern im Kopf hat und was man wirklich über Ihre Interessen weiß. Das ist der erste Schritt.
Der zweite wäre: fragen! Wenn Führungskräfte wirklich keine Ahnung haben, was ihre Kollegen oder Mitarbeiter im Zusammenhang mit einem Thema interessiert, oder umtreibt, können sie fragen. Das hilft natürlich nur, wenn sie dann auch aufmerksam zuhören und bereit sind über die Antworten nachzudenken.

So lässt sich Empathie Schritt für Schritt lernen – man braucht dazu nur ein wenig Geduld und Übung.

Fortgeschrittenen unter meinen Kunden, die sich für das Thema erwärmen, empfehle ich die Lektüre von Tolstoi. Er ist ein Meister darin, seine Figuren so zu beschreiben, dass man als Leser jede Gefühlsregung, jedes Motiv problemlos nachvollziehen kann. Und bei starker Identifikation miterleben kann, also emphatisch mitgeht.

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