Über Monotonie und Gastronomie

28 Aug 2011

Fragen, die andere stellen:

Woher nehmen? Rund 60.000 Lehrstellen bleiben laut bild.de in diesem Ausbildungsjahr unbesetzt. Zuwenig Schulabgänger, besonders Berufe mit außerordentlichen Arbeitszeiten haben offenbar Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. So Gastronomie oder Hotelwesen, in denen Wochenend- und Nachtdienste die Regel sind.

Handwerk und Dienstleistung werben also um Nachwuchs – aufgefallen ist mir dabei ein Artikel in der „Stimme des Handwerks“ mit dem Titel: „Sicherer Arbeitsplatz, keine Monotonie“. Darin wirbt die Bäckerei Innung Köln/Rhein-Erft für einen neuen Ausbildungsberuf im Bäckerhandwerk – den Systemgastronomen.

Bäckereien, die über mindestens fünf gleichartige Cafés verfügen, also auf die „gastronomische Schiene“ setzen, dürfen dazu ausbilden. Was lernt ein angehender Systemgastronom? Dazu habe ich in der Main Post einen Artikel gefunden, die sich mit dem Thema beschäftigt, genau so wie übrigens die Rheinische Post, vorwärts.de und einige andere – Systemgastronom ist zurzeit Thema. Man lernt u.a.: Betriebswirtschaft, Buchführung, Hygiene!! und Umgang mit Lebensmitteln, außerdem Englisch, Französisch ist nicht so wichtig. Und vor allem Freundlichkeit, Freundlichkeit, Freundlichkeit und Dienstleistungsbereitschaft, wenn man an der systemgastronomischen Front stehen will.

Was mich dabei beschäftigt:

Keine Monotonie? Für mich ist Systemgastronomie der Inbegriff der Monotonie, wenn man darunter Gleichförmigkeit, und daraus resultierende Eintönigkeit versteht.

Begonnen hat es mit einem Landsmann von mir, dem Hendlvater Jahn, dessen „Wienerwald“ in den 60er Jahren Wildwuchs hatte, Schweizer Möwenpick war ebenfalls einer der Pioniere, dann vor vierzig Jahren kamen die Amerikaner: Mac Donald‘s und Kentucky Fried Chicken (KFC). Als Kind liebte ich KFC – es war etwas Besonderes das Hendl in der Tüte mit nach Hause nehmen zu können und man wusste immer genau wie es schmecken würde. Kinder mögen solche Sicherheiten, Kinder sind, hat Tissy Bruns einmal schön formuliert, Kinder sind lauter kleine Konservative: „ Am liebsten jeden Abend Spaghetti und Mama und Papa mit am Tisch“. Das kann ich bestätigen – wobei es bei mir eben gerne das KFC hätte sein können.

Aber solche Sicherheiten für Erwachsene? Die Systemgastronomie wächst unaufhaltsam. 1991 waren es, so schreibt die DEHOGA in ihrer Broschüre zu „Systemgastronomie 2011“ nur 13 Systeme, jetzt sind es 53! Von Blockhouse Steak bis Wonton.

Was heisst das für unsere Gesellschaft? Brauchen wir als Gegensatz zur allseits beschworenen Individualität die stabilisierende Eintönigkeit? Gibt uns die Sicherheit der genormten Filialen, des bekannten Geschmacks, des immer gleichen Aussehens z.B. der Köttbullar bei IEKA eine Insel der Ruhe in der allgemeinen Reizüberflutung?

Entstanden sind die Systemrestaurants als Antwort auf die Strukturveränderungen ab den 60er/70er Jahren. Berufstätige Frauen, mobile Gesellschaft, flexiblere Arbeitszeiten – das Fast Food wurde zur Notwendigkeit.

Jetzt sind wir 50 Jahre weiter, essen bei Va Piano (übersetzt „Mach langsam“) und bei „Ich koch für Dich“ und orientieren uns nach Schildern und Farben und schleppen brav selbst unsere Tabletts. Wir finden uns in Sekundenschnelle zurecht, fühlen uns sicher und zu Hause, egal ob wir das in einer Filiale in Berlin, Bonn oder Wien tun.

Das heißt, Monotonie ist eigentlich ein Markenzeichen der Systemgastronomie, Eintönigkeit erwünscht – warum also das Kind nicht beim Namen nennen und den Nachwuchs werben mit „Sichere Arbeitsplätze, garantierte Monotonie.“?

Und sonst noch:

Finde ich, dass das Vertrauen erweckende Einheitsgesicht der immer gleichen Filialen von Mac Donald‘s, Nordsee, Le Crobag oder Subway Europa beim Zusammenwachsen deutlich hilft. Von der Wirtschafts- und Währungsunion machen wir vor der politischen Union noch den Schlenker über die systemgastronomische Union. Guten Appetit.

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