Kompromisse oben enden in Konflikten unten

11 Nov 2012

Fragen, die andere stellen:

„Bundestag winkt Betreuungsgeld durch“ – manche Konflikte ist man eben auch in Berlin irgendwann leid und überlässt das „Zürnen“ dann der Opposition. Unabhängig davon, dass eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen das Betreuungsgeld ist – aber das nur am Rande. Andere Konflikte entpuppen sich unversehens als Koalitionskrise.

Wie in Bayern, wo CSU und FDP heute einen Kompromiss in der Frage finden müssen: „Studiengebühren ja oder nein?“ – Studiengebühren, die die CSU eingeführt hat und nun aus Opportunitätsgründen wieder abschaffen will. Gegen den Willen der FDP, die von der SZ heute mit der Schlagzeile profiliert wird: „Klein, gelb, stur“

 

Was mich dabei beschäftigt:

Vielleicht wird bei dieser Koalitionskrise, ähnlich wie beim Betreuungsgeld, ein Kompromiss gefunden. Eine „Sowohl – als auch Lösung“, Politiker sagen dann gerne „win–win Situation“ dazu und sind stolz, dass sie sich auf der Sachebene geeinigt haben. Dass die ideologischen Differenzen oder der Ressourcenmangel sich weiterhin auswirken und an anderer Stelle ausbrechen, wird dabei zur Seite geschoben.

Beides führt dann oft auf der Handlungsebene zu unauflösbaren Konflikten.

Ein Beispiel aus dem kommunalen Alltag: das Bad „Lentpark“ in Köln. Das alte Eis- und Schwimmstadion neben der Zoobrücke war sanierungsreif, genau wie ein Bad im Nippeser Norden. Und eins im Westen. Wie immer in Köln wurde lange verhandelt – es gab die Positionen, alle drei Bäder wieder in akzeptablen Zustand bringen und sowohl für Freizeitschwimmer als auch für Vereine in Betrieb halten. Die andere Lösung sah vor, das Hallenbad an der Zoobrücke abzureißen und zeitgemäß, mit Sauna und Bio-Freibecken und auch Eisbahn – einmalig in Europa – wieder auf zu bauen. Das Bad im Westen und das im Kölner Norden sollten dafür – Kostengründe – geschlossen werden.

Es folgte heftiger Protest der Schwimmvereine und auch der Schulen, die vor allem im Kölner Norden trainierten und den Kindern das Schwimmen beibrachten.

Ein Kompromiss musste her. Nach Monaten sah der so aus: Das neue Luxusbad Lentpark öffnet an zwei Tagen – Montag und Dienstag – nur für Vereine und Schulen. Die normalen „Freizeitschwimmer“ dürfen ab Mittwoch wieder ins Bad. An den Wochentagen teilen sie sich die 3 Kreisschwimmbahnen weiterhin mit Vereinen – im Verhältnis 2 zu 1 und am Wochenende mit Kindern im Schwimmunterricht. Zwei Bahnen für die Kinder, eine für die Freizeitschwimmer, keine für die Vereine, die haben am Wochenende Trainingsverbot.

Inzwischen gehen die Vereine – getarnt als Freundeskreise – auch am Samstag in die dritte Kreisbahn und vertreiben dort die normalen Freizeitschwimmer, die in Ruhe, aber deshalb nicht langsam, ihre Bahnen ziehen wollen

Die Folge: Konflikte, Aggression, Behinderungen in Becken, laute Auseinandersetzungen am Beckenrand –die Atmosphäre ist aufgeladen und alles andere als entspannt. Und alle – Freizeitschwimmer, Vereinsschwimmer, Eltern – pochen auf ihr Recht, das sie sich mit dem Eintritt erworben haben.

Und alle haben auch Recht. Aber alle sind sie auch Opfer eines Kompromisses, der allen Interessengruppen bei dem Beschluss für den Bau ein bisschen Recht gab und dabei die Ressourcenfrage nicht beantwortete.

Die ist hier ganz einfach: wie viele Schwimmer unterschiedlicher Geschwindigkeiten kann man gleichzeitig in eine 25 Meter Bahn lassen, ohne dass es zu Mord und Totschlag wegen Platzmangel kommt?

Und sonst noch:

Frage ich mich, wie heftig die Konflikte im Schwimmbad oder die in den Kitas mit 243.000 fehlenden Plätzen werden müssen (1,2 Mrd. gehen ins häusliche Betreuungsgeld) bis die Politik reagiert.

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